Patente, Marken und Designs nach dem BREXIT – Ausführlicher Leitfaden (Stand Januar 2020)
Ausführlicher BREXIT Leitfaden (Deal und No-Deal) – Stand Januar 2020
Dieser Artikel informiert umfassend zu dem Thema der Schutzrechte im BREXIT und wird regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht.
Was passiert mit Ihren Patenten, Marken und Designs nach dem BREXIT?
Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob Sie in Bezug auf Ihre Patente, Marken und Designs Handlungsbedarf wegen des Austritts Großbritanniens aus der EU haben? Der “Deal” – also das Withdrawal Agreement – ist nun von beiden Seiten ratifiziert, so dass nun bis zum 31. Dezember 2020 eine Transitional Period eingerichtet wurde, in der im Wesentlichen EU Recht in Großbritannien weiterhin gilt und amit auch EU-Schutzrechte bis zu diesem Datum ihre Gültigkeit in Großbritannien behalten. Das UKIPO hat hierzu eine entsprechende Mitteilung herausgegeben. Nach dem 31. Dezember 2020 verlieren die EU-Schutzrechte dann Ihre Wirkung in Großbritannien. Mehr dazu später in diesem Artikel.
Für Europäische Patente wird sich wenig ändern.
Zunächst gehe ich auf Patente ein, was wohl am einfachsten ist. Dann werde ich etwas zu Marken sagen. Zuletzt gehe ich auf das gefährlichste Thema – nämlich Designs – ein.
Erst einmal ist natürlich klar, dass Großbritannien Mitglied praktisch aller wichtigen Verträge im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes wie dem TRIPS Abkommen, der Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ) etc. bleiben wird. Aufgrund des TRIPS Abkommens hat sich Großbritannien dazu verpflichtet, Patentschutz, Markenschutz und Designschutz für eine bestimmte Zeit zu gewähren. Da Großbritannien Instrumente wie Gemeinschaftsgeschmacksmuster oder Unionsmarken mitgetragen hat, ist Großbritannien dazu verpflichtet, diesen Schutz auch nach dem Austritt aus der EU in Großbritannien aufrechtzuerhalten. Großbritannien muss also eine Möglichkeit schaffen, dass Schutzrechte wie Gemeinschaftsgeschmacksmuster oder Unionsmarken auch nach dem BREXIT in irgendeiner Form weiterhin Wirkung entfalten können.
Das das Withdrawal Agreement von beiden Seiten ratifiziert wurde, ist eine Übergangsphase bis zum 31. Dezember 2020 nach dem BREXIT vorgesehen, in der Großbritannien de facto weiterhin Teil des Systems der Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster sein wird. Dann dürften auch angemeldete Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster bis dahin in Großbritannien neu als nationale Marken angemeldet, ohne ihren Zeitrang zu verlieren.
Großbritannien veröffentlicht seit Ende August 2018 Richtlinien für den Fall eines harten BREXIT. Im September 2018 wurden “Technical Notices” zu den gewerblichen Schutzrechten vom UKIPO veröffentlicht. Diese hat das UKIPO auf einer zuletzt am 10. Oktober 2019 geänderten Webseite zusammengefasst und verlinkt.
Ich werde also im Folgenden immer beide Szenarien betrachten.
Europäische Patente nach dem BREXIT
Großbritannien ist Mitglied im Europäischen Patentübereinkommen, welches nicht auf die EU beschränkt ist, sondern auch viele Nicht-EU-Mitglieder wie beispielsweise die Schweiz, die Türkei, Island und Norwegen hat. Großbritannien wird weiterhin Mitglied in diesem Abkommen sein. Es wird weiterhin möglich sein, ein europäisches Patent anzumelden und dann in Großbritannien zu validieren.
Das UKIPO hat zudem ein sehr hilfreiches Video veröffentlicht:
Großbritannien hat zudem am 26. April 2018 das UPC Agreeement ratifiziert. Deutschland hat dieses Abkommen zum Einheitlichen Patentgericht noch nicht ratifiziert und die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, die die Ratifizierung gerade noch verhindert, wird erst im Laufe des Jahres 2019 erwartet (Aktenzeichen 2 BvR 739/17). Großbritannien beabsichtigt allerdings, Teil des einheitlichen Patentsystems zu bleiben, wie es auch in einem White Paper der britischen Regierung aus Juli 2018 formuliert ist. Dies würde einen erheblichen Mehrwert für die Patentinhaber bedeuten. Es ist allerdings momentan noch unklar, wie dies realisiert werden könnte.
Ergänzende Schutzzertifikate, die vor dem BREXIT existieren, werden weiterhin Wirkung entfalten. Nach dem BREXIT können ergänzende Schutzzertifikate für die dann verbleibenden EU-Länder beantragt werden (Bestätigung durch die EU und Großbritannien). Großbritannien plant, für die Zeit nach dem BREXIT ebenfalls ein ergänzendes Schutzzertifikat zu etablieren. Das Schicksal aktuell in der Anmeldung befindlicher SPCs scheint noch nicht abschließend geklärt zu sein. Die Anmelder können aber offenbar davon ausgehen, dass sie die Anmeldung auch in Großbritannien nach dem BREXIT fortführen können. Aktuelle Entwicklungen hierzu kann man der Webseite des UKIPO zu SPCs entnehmen.
Unionsmarken nach dem BREXIT
Unionsmarken haben lediglich Wirkung in der EU und werden also mit dem Ende der Übergangsfrist nach dem 31. Dezember 2020 ihre Wirkung in Großbritannien verlieren.
Der Parliamentary Under-Secretary of State for Exiting the European Union Robin Walker hat in einer Debatte am 19. Juli 2018 allerdings gesagt, dass die Umwandlung von Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmustern in britische Marken und Designs kostenfrei und automatisch sein wird. Kurz darauf hat er klargestellt, dass es nur für den Fall eines erfolgreichen Abkommens so sein würde, dass die Umwandlung automatisch und kostenfrei sein würde. Ob dies auch für den Fall gilt, in dem es kein Abkommen zwischen Großbritannien und der EU gibt, wurde damals noch offengelassen.
Das UKIPO hat aber klargestellt, dass eingetragene Unionsmarken oder Internationale Registierungen mit Benennungen der EU in jedem Fall automatisch und kostenfrei in britische nationale Marken überführt werden, die auch Prioritäts- und Senioritätsdaten der EU-Markenrechte erben.
Für Unionsmarkenanmeldungen oder Anmeldungen von Internationalen Registrierungen mit Benennung der EU, die zum Zeitpunkt des BREXIT noch nicht eingetragen sind, wird es innerhalb der Übergangsfrist möglich sein, eine nationale britische Marke unter Beanspruchung des Zeitrangs des EU-Markenrechts zu beantragen.
Die automatisch entstehenden nationalen britischen Marken werden eine Eintragungsnummer erhalten, die aus dem Präfix “UK009” gefolgt von den letzten 8 Ziffern der Unionsmarkennummer besteht.
Das UKIPO hat zu Unionsmarken ein sehr hilfreiches Video bereitgestellt:
Es ist damit praktisch ausgeschlossen, dass Inhaber von Unionsmarken ihr Markenrecht in Großbritannien nach dem BREXIT verlieren werden.
Das EUIPO hat klargestellt, dass Vertreter aus Großbritannien im Falle eines harten BREXIT mit sofortiger Wirkung als Vertreter in allen Schutzrechten und Verfahren gelöscht werden. Da ein harter BREXIT ohne Abkommen mit der EU aus unserer Sicht nicht ausgeschlossen werden kann, sollten Sie für Ihre Schutzrechte zeitnah einen neuen Vertreter innerhalb der EU benennen, sofern Sie aktuell für Ihre EU-Schutzrechte mit einem Vertreter aus Großbritannien zusammenarbeiten. Das EUIPO wird die Inhaber der Marken über den Verlust des Vertreters in der Regel nicht informieren.
Unsere Empfehlung ist es daher, in jedem Fall den BREXIT erst einmal abzuwarten. Nach der Übgergangszeit wird es dann für eingetragene EU-Markenrechte automatisch nationale UK-Marken geben. Für noch anhängige Anmeldungen können bis zum Ende der Übergangsfrist britische Marken mit dem Zeitrang der ursprünglichen Anmeldung angemeldet werden. Schon jetzt sollten Sie einen neuen Vertreter Ihrer EU-Schutzrechte innerhalb der EU benennen, sofern Sie bisher einen Vertreter aus Großbritannien gewählt hatten. Wir stehen Ihnen gerne zur Verfügung.
Für die neu entstehenden britischen Marken sind natürlich separate Gebühren für die Verlängerung der Marken zu bezahlen. Läuft die neue Marke vor Ablauf von 6 Monaten nach dem BREXIT aus, so wird das UKIPO die Vertreter bzw. Anmelder über den Ablauf informieren. Die Verlängerungsgebühren können dann noch innerhalb von 6 Monaten ab dem Absendedatum der Mitteilung des UKIPO ohne Zuschlag gezahlt werden.
Lag das Fälligkeitsdatum der Verlängerungsgebühr vor dem Tag des BREXIT und hat der Anmelder bis zum BREXIT die Marke nicht verlängert, so verlängert sich die entstehende britische Marke automatisch, sofern die Unionsmarke innerhalb der Zuschlagsfrist noch mit Verspätung verlängert wird.
Es gibt noch einige weitere Dinge, die beachtet werden sollten:
Ab dem BREXIT zählt eine Benutzung von Unionsmarken in Großbritannien nicht mehr als rechtserhaltende Benutzung einer Unionsmarke.
Englisch bleibt am EUIPO weiterhin eine der Amtssprachen und kann als Verfahrenssprache gewählt werden, da Englisch offizielle Amtssprache in Irland und Malta ist.
Im Unterschied zur Priorität kann nach dem BREXIT eine Seniorität aus einer britischen Marke für Unionsmarken nicht mehr in Anspruch genommen werden.
Eine noch ausführlichere Mitteilung des UKIPO findet sich auf auf deren Webseite.
Designs bzw. Geschmacksmuster nach dem BREXIT
Bei Designs bzw. Geschmacksmustern gibt es das Problem, dass diese zum Anmeldetag neu sein müssen. Sollte es also zu der aus meiner Sicht sehr unwahrscheinlichen Situation kommen, dass Schutzrechtsinhaber von Gemeinschaftsgeschmacksmustern nach dem BREXIT keinen Designschutz in Großbritannien erzielen können, dann hätten sie im Unterschied zu Marken auch nicht die Möglichkeit, die Designs in Großbritannien einfach wieder neu anzumelden.
Das UKIPO hat nun versichert, dass es für Designs im Prinzip dieselbe Lösung wie für Marken gibt:
Eingetragene Designs mit Wirkung in der EU (also Gemeinschaftsgeschmacksmuster oder Haager Muster mit Benennung der EU) werden automatisch und kostenfrei zu britischen Designrechten führen. Die Registernummer der entstehenden britischen Designs wird der EU-Registernummer mit einer vorangestellten 9 entsprechen.
Die Regelungen für Verlängerungsgebühren entsprechen den vorgenannten Regelungen zu Unionsmarken.
Angemeldete EU-Designrechte, die noch nicht zur Eintragung geführt haben, können innerhalb von 9 Monaten ab dem BREXIT unter Beanspruchung des Zeitrangs der ursprünglichen Anmeldung als britisches Design angemeldet werden.
EU-Gemeinschaftsgeschmacksmuster mit aufgeschobener Veröffentlichung werden wie Anmeldungen (nicht wie eingetragene Designs) behandelt.
Das UKIPO hat zu Designrechten ebenfalls ein Video bereitgestellt:
Nichtregistrierte Gemeinschaftsgeschmacksmuster sollen ebenfalls in nichtregistrierte Designs in Großbritannien umwandelbar sein (Art. 53). Aus einem nichtregistrierten Gemeinschaftsgeschmacksmuster (unregistered community desgin) wird automatisch ein sog. UK Continuing Unregistered Design (CUD) entstehen. Für nichtregistrierte Designrechte, die nach dem BREXIT entstehen, wird es das nationale Schutzrecht des UK Unregistered Design Right geben.
Das UKIPO hat hierzu ein Video bereitgestellt:
Auch im Falle von Designs halte ich es daher für sehr unwahrscheinlich, dass es zu einem Verlust von Designrechten kommt.
Großbritannien ist Mitglied des Haager Musterabkommens. Falls Sie also beispielsweise Schutz in der EU, der Schweiz, Großbritannien oder auch anderen Ländern anstreben, so kann es am günstigsten sein, ein sog. Haager Muster anzumelden.
Wir stehen Ihnen für den Schutz von Designs in Großbritannien gerne zur Verfügung.
Einen ausführlichen Artikel zu Designs nach dem BREXIT finden Sie auch auf der Webseite des UKIPO.
Gerichtsbarkeit
EU-weite Gerichtsentscheidungen werden ab dem BREXIT in Großbritannien nicht mehr durchsetzbar sein.
Ab dem BREXIT werden Gericht in Großbritannien auch keinerlei Entscheidungen auf Basis von Unionsmarke oder zur Gültigkeit oder Durchsetzbarkeit von Unionsmarken treffen können.
Kläger und Beklagte sollten dies entsprechend berücksichtigen. Auch bei der Abfassung von Lizenzverträgen sollte man dies beachten.
Zusammenfassung und Handlungsempfehlung
Der BREXIT scheint bei Patenten praktisch keine negativen Auswirkungen zu haben. Ob Großbritannien auch Teil des einheitlichen Patentsystems bleiben wird, ist noch nicht sicher.
In Bezug auf Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster wird es offenbar so sein, dass die eingetragenenen EU-Schutzrechte kostenfrei und automatisch auch im Falle eines harten BREXIT zu entsprechenden britischen Schutzrechten führen. Anmeldungen dieser Schutzrechte können innerhalb von 9 Monaten unter Beanspruchung des Zeitrangs der ursprünglichen Schutzrechte als britische Marken bzw. Design angemeldet werden.
Allerdings sollten Sie einen neuen Vertreter innerhalb der EU für Ihre EU-Schutzrechte benennen, sofern Sie bisher von einem britischen Vertreter vertreten werden.
Gerne stehen wir Ihnen jederzeit für Rückfragen zur Verfügung.
Viel Erfolg!
Ihr Rolf Claessen